Thomas Gänszler
*1982 in Wien, AT
lebt und arbeitet in Wien und Burgenland.
Der Wiener Künstler Thomas Gänszler (*1982) studierte ab 2003 Kunst und kommunikative Praxis an der Universität für angewandte Kunst in Wien, zwei Jahre später zudem Mediale Kunst, Bildhauerei und Neue Medien bei Erwin Wurm. Zugegeben: Das klingt beim Lesen erschlagend allumfassend. Umso bemerkenswerter ist es, wie pointiert und präzise Thomas Gänszler diese bildnerischen Aspekte in seine Kunst einfließen lässt.
Seit 2020 arbeitet der Künstler an einem Langzeitprojekt mit dem Titel Kontinent, aus dem verschiedene Werke, Installationen und Ausstellungen hervorgegangen sind. Dafür hat der Künstler einen Algorithmus geschrieben, der per Zufall eine Topografie generiert. Die so erschaffene Landschaft, die nur im virtuellen Raum existiert, hat ein Ausmaß von etwa einem Quadratkilometer. Dieser Kontinent bildet sozusagen das immaterielle Ausgangsmaterial, mit dem der Künstler arbeitet. Er dringt in den digitalen Raum ein, um daraus reale, materielle Werke zu exzerpieren. Er übersetzt (reale) Objekte in (digitale) Information – und wieder zurück: medial und bildhauerisch, analog und digital, plastisch und fantastisch.
Unter diesen Prämissen entwickelte Thomas Gänszler 2021 eine erste raumgreifende Installation in der Galerie Michael Sturm, in der er pechschwarze Topografien des virtuellen Kontinents auf verspiegelten Stelen präsentierte und bildhaft durch dreidimensionale Polygone auf schwarzen Grund anreicherte. Auf diesen ersten Akt der „Schöpfung“ folgte in Wien eine „Erkundung“ der digitalen Landschaft in Form von schwarzweißen Panoramen, die zum einen an historische Landschaftsaufnahmen aus der Frühzeit der Fotografie erinnerten, zum anderen an Aufnahmen von planetaren Weltraummissionen der NASA. Im dritten Akt ließ der Künstler die virtuelle Landschaft des Kontinents als monumentalen Block im Stiegenhaus des Kunstvereins Eisenstadt schweben.
In seiner Installation für die Karlsruher One-Artist-Show geht Thomas Gänszler nun noch einen Schritt weiter: Hier nimmt er Veränderungen an der virtuellen Landschaft selbst vor; er holt in einer Art medialen Transformation Dinge aus dieser Landschaft in die Realität zurück (und umgekehrt); zudem werden die Betrachter:innen erstmals aktiv einbezogen. Pars pro toto dieses transformativen Prozesses ist ein Stein, ein Fels, den Thomas Gänszler digital erfasst, plastisch ausformt, in der virtuellen Landschaft über dem Horizont schweben lässt und ganz real in einer bildhauerischen Arbeit, die mittels 3D-Druck und CNC-Fräse gefertigt wurde. Die Betrachter:innen werden in die Lage versetzt, sich mit einer VR-Brille durch die virtuelle Landschaft zu bewegen – gerade so, als würde man aus dem Blickwinkel eines Weltraumfahrzeugs die Oberfläche eines fernen Planeten erkunden.
Mit erstaunlicher Souveränität bewegt sich Thomas Gänszler an der Schnittstelle von virtueller und realer Welt, so dass man in der Begegnung mit seinen Arbeiten zwischen beiden gar nicht mehr kategorisch zu unterscheiden vermag. Tatsächlich scheint es sich um verschiedene Aggregatzustände ein und derselben Wirklichkeit zu handeln. Die damit verbundene Erlebnisqualität ist ebenso überzeugend wie irritierend. Sie trifft uns physisch und psychisch. Das wird in Thomas Gänszlers One-Artist-Show auf beeindruckende Weise erlebbar.
Ausgangspunkt des Arbeitszyklus „Kontinent“ ist eine auf zufälligen Parametern erstellte virtuelle Topographie. Die Ausstellungsreihe dazu umfasst mehrere Themengebiete: Vom digitalen Schöpfungsakt, über die Erkundung, bis hin zur dauerhaften Veränderung des digitalen Terrains. Mittels 3d Scantechnologie werden reale Objekte ins Digitale transferiert, verändern dauerhaft die virtuelle Welt, und werden im Zuge verschiedener Ausstellungsprojekte in Form von 3d Drucken und Cnc gefertigten Teilen wieder ins Reale überführt.
Zentrale Themen wie die Wechselwirkung zwischen digitaler und realer Welt, historische und kunsthistorische Entwicklungen und ihre soziologisch ästhetischen Folgen, stehen grundsätzlichen Fragen der künstlerischen Produktion gegenüber. Das „in- die- Welt- bringen“ von Form, als Motiv künstlerischen Handelns, wird durch die Schaffung eines digitalen Raums bzw einer Parallelwelt behandelt. Die einzelnen Ausstellungen nehmen in ihrer Beschaffenheit, je nach Teilgebiet des Zyklus, andere Gestalt an und adaptieren Präsentationsformen verschiedener Bereiche.